Klage des NABU vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg ist abgeschlossen!
5. Juli 2010:
Verzicht des Landkreises auf weitere Abschussgenehmigungen
Nachdem sich die Hauptsache im Klageverfahren gegen den Landkreis Ammerland, nämlich die Abschussgenehmigung für das Jahr 2009, durch Ablauf des Genehmigungszeitraums erledigt hat, stellte sich
die Frage nach der Reaktion des Landkreises auf mögliche gleichgelagerte Anträge der Fischerei Rabben für die Folgejahre. Dazu erklärte der Landkreis in einer schriftlichen Stellungnahme
gegenüber dem Verwaltungsgericht Oldenburg, dass „infolge der sich verfestigenden Rechtsprechung bei unveränderter Sachlage keine Folgegenehmigungen ausgesprochen werden." Die jüngsten
Gerichtsentscheidungen zu entsprechenden Verfahren für das Vogelschutzgebiet Weseraue (Verwaltungsgericht Minden), das NSG an der Sieg (Verwaltungsgericht Köln) und das Steinhuder Meer
(Verwaltungsgericht Hannover) sowie die Entscheidung des Umweltministers E. Uhlenberg (CDU) in Nordrhein-Westfalen, die Kormoran-Verordnung und den begleitenden Erlass in NRW auslaufen zu lassen,
haben offenbar zu dieser Erkenntnis beigetragen.
Nachdem beide Seiten das Klageverfahren gegenüber dem Gericht als in der Sache für erledigt erklärt haben, hat das Verwaltungsgericht Oldenburg das Verfahren eingestellt und die Kosten dem
Landkreis Ammerland mit der Begründung auferlegt, im Verfahren aller Voraussicht nach zu unterliegen.
Interessant ist im Zusammenhang mit den Erkenntnissen anderer Bundesländer ein Bericht in den Ornithologischen Mitteilungen, der hier auszugsweise wiedergegeben wird. Im Tenor wird festgestellt, dass in Bayern seit
Mitte der 1990er-Jahre trotz Abschüssen eine Bestandsregulierung der Kormorane nicht erreicht werden konnte. Die Kormorane verteilen sich nun vermehrt von den Seen und Stauseen in die Flüsse und
könnten dort eher wegen des erhöhten Flug- und dadurch Energieaufwandes größere Schäden an geschützten Arten anrichten.
Der Rückblick:
Februar 2008:
Der Landkreis Ammerland erlaubte mit Schreiben vom 26.02.2008 dem Fischereibetreib Rabben den Abschuss einer unbegrenzten Anzahl von Kormoranen auf dem Gelände der
Kormorankolonie im Naturschutzgebiet Stamers Hop am Zwischenahner Meer. Dass ein Schutzgebiet nur bedingten Schutz bietet und dieser von der zufälligen Entscheidung einer Behörde abhängig ist,
mußten viele Kormorane des Zwischenahner Meeres am eigenen Leibe erfahren. Die Genehmigung wurde begründet mit den von der Fischerei Rabben angeführten, angeblich von Kormoranen verursachten
„erheblichen fischereiwirtschaftlichen Schäden“ und wurde begrenzt auf die Zeiträume März 2008 und 16.08. - 31.10.2008. Obwohl Nachweise über die Schädigungen bzw. langjährige Fangstatistiken
nicht vorgelegt wurden, werden die gesetzlichen Regelungen nach Bundes- und Niedersächsichem Naturschutzgesetz i.V.m. der Niedersächsischen Kormoran-Verordnung vom Landkreis so interpretiert,
dass ohne einen gesonderten Nachweis über erlittene Schädigungen durch den Kormoran eine allgemeine Abschussgenehmigung angeordnet werden kann.
17.02.2008:
Schon im Vorfeld hatte der NABU Rastede dem Landkreis mit Schreiben vom 17.02.2008² eine Stellungnahme zugeleitet, die aber vom Landkreis verworfen wurde. Nach erneuter schriftlicher Intervention der NABU Bezirksgruppe und in mündlichen
Verhandlungen zwischen dem Vorsitzenden des NABU Rastede und dem Landkreis konnte leider nur eine Abschussbegrenzung auf 50 Kormorane für 2008 erreicht werden.
22.05.2008:
Einer nochmaligen rechtlichen Bewertung² des Kormoranabschusses durch den NABU Oldenburger Land vom 22.05.2008 im
Hinblick auf die von der Fischerei Rabben ins Feld geführten „erheblichen fischereiwirtschaftlichen Schäden“ hielt der Landkreis ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover
entgegen. Dort hatte im Februar 2007 ein Fischereibetreib am Dümmer gegen die Weigerung des Landkreises Diepholz geklagt, ihm eine Ausnahmegenehmigung zum Abschuss von Kormoranen zu erteilen. Der
gerichtliche Vergleich war dann identisch mit der Regelung am Zwischenahner Meer.
Obwohl die rechtliche Bewertung des Verwaltungsgerichts Hannover nicht geteilt wird, muß dieser schmerzliche Kompromiß für 2008 hingenommen werden. Vor einer erneuten Abschussgenehmigung für 2009
soll in Absprache mit der Staatlichen Vogelschutzwarte beim NLWKN und allen Beteiligten eine Bestandsaufnahme der verbliebenen Kormorane im NSG Stamers Hop erfolgen und über die weitere
Vorgehensweise beraten werden.
26.01.2009:
Der NABU Rastede hatte den Landkreis Ammerland in einem Brief vom 26.01.2009²
aufgefordert, vor einer erneuten Stellungnahme zum Antrag der Fischerei Rabben die zugesagten Dokumentationen über die genaue Anzahl der 2008 erlegten Kormorane, den Verbleib der Kadaver und den
"Erfolg" der "Vergrämungsmaßnahme" vorzulegen. Außerdem wurde gebeten, die aufgekommenen Zweifel an der waidgerechten Jagdausübung zu beseitigen, da in mindestens einem Fall ein toter Kormoran im
Geäst verblieben ist.
18.02.2009:
Wegweisend für die kommende Auseinandersetzung könnte der Ausgang eines Klageverfahrens um die behördlicherseits angeordnete Vernichtung einer Kormorankolonie im Naturschutzgebiet
Radolfzeller Aachried am Bodensee sein. Die am 18.02.2009 ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg
zuungunsten des NABU Baden-Württemberg hatte ausschließlich die formaljuristische Seite der Kormorantötungen zum Inhalt und hat ausdrücklich die Berufung zugelassen. Der NABU Baden-Württemberg
wird in die Berufung gehen und prüft derzeit die erforderlichen Schritte.
22.02.2009:
Nach einer erneuten schriftlichen Anforderung vom 22.02.2009² wurden dem NABU
Rastede vom Landkreis mit Schreiben vom 09. und 25.02.2009 eine Abschussliste der 50 geschossenen Kormorane zugesandt bzw. erklärt, dass von der Fischerei Rabben "aufgrund der eindeutigen
rechtlichen Situation...keine Dokumentation der Auswirkungen der Vergrämungsaktion auf die Fangerträge..." dargelegt werden müsse und nach so kurzer Zeit auch nicht aufgezeigt werden könne.
08.03.2009:
In der Stellungnahme des NABU vom 08.03.2009² wurde nochmals auf die
Erfolglosigkeit von Vergrämungsaktionen in anderen Bundesländern, auf die auch in der rechtlichen Beurteilung zum gegenteiligen Ergebnis kommenden Verwaltungsgerichte Regensburg und München
(VGH), auf das Beutespektrum des Kormorans der für die Erwerbsfischerei uninteressanten Weißfische und auf den gesetzlich vorgeschriebenen Erhaltungsvorbehalt der Kormorankolonie
hingewiesen.
Mit Bedauern müssen wir zur Kentnis nehmen, dass sich der Streit um die Kormorantötungen ausschließlich auf der juristischen Ebene abspielt und es völlig unerheblich sein soll, ob und welche
Schädigungen tatsächlich durch den Kormoran verursacht werden. Kritisiert werden muß in erster Linie die Gesetzgebung in Bund und Land, die solche Behördenentscheidungen erst ermöglichen.
Mit Bescheid vom 24.04.2009 hat der Landkreis Ammerland dem Zwischenahner Fischereibetreib Rabben nach 2008 erneut eine
Abschussgenehmigung für Kormorane auf dem Gelände der Kormorankolonie im Naturschutzgebiet Stamers Hop am Zwischenahner Meer erteilt. Zwar wurde dem Antrag der Fischerei auf Freigabe des
Kormoranabschusses in unbegrenzter Stückzahl (dies allein grenzt an Unverschämtheit!) bis zum 31.12.2012 nicht entsprochen, aber selbst die für den Zeitraum vom 16.08.-31.10.2009 ausgesprochene
Erlaubnis zum Abschuss von 15 Kormoranen sind exakt 15 Kormorane zuviel! Zu Beginn des Jahres mußte sogar befürchtet werden, dass dem Antrag in voller Höhe entsprochen werden sollte. Nach
Rücksprache mit dem Landkreis soll die Prozedur jährlich auf Antrag des Fischereibetriebs seine Fortsetzung finden.
Der NABU hatte darüber zu entscheiden, dieses erneute Einknicken des Landkreises vor den privatwirtschaftlichen Interessen eines Naturnutzers einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Aus
diesem Grunde hat der NABU mit Schreiben vom 15.05.2009 Widerspruch² gegen die Abschusserlaubnis eingelegt und die
Rücknahme dieser Ausnahmegenehmigung beantragt. Nachdem der Landkreis der beantragten Aufhebung der Abschusserlaubnis mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2009 nicht entsprochen hatte, wurde am
21.07.2009 Klage beim Verwaltungsgericht Oldenburg eingereicht. Neben vielen weiteren Sachargumenten, die die Sinnlosigkeit
dieser Tötungsaktion belegen und die Widersprüchlichkeiten im Widerspruchsbescheid auflisten, wurden dem Gericht die Dimensionen vor Augen geführt, um die es in dem Verfahren geht: so sind nicht
einmal 1 % der Wasserfläche des Zwischenahner Meeres Naturschutzgebiet ("Stamers Hop") und ausgerechnet dieser so immens wichtige Rückzugs- und Ruheraum für Vögel und andere Tierarten soll mit
Ausnahmegenehmigung bejagt werden. Dazu muß man wissen, dass nach der niedersächsischen Kormoranverordnung die Jagd auf Kormorane a u ß e r h a l b von Naturschutzgebieten ohne besondere
Genehmigung erlaubt ist.
Da der Landkreis auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Genehmigung verzichtet, hat die Klage aufschiebende Wirkung - mit anderen
Worten kann die Abschussgenehmigung für 15 Kormorane in 2009 nicht vollzogen werden. Nachdem sowohl der Landkreis wie auch der Fischereibetrieb als Beigeladener anwaltliche Hilfe in Anspruch
genommen haben, werden im Vorfeld der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg (ein Termin in 2010 steht noch nicht fest) die gegenseitigen Rechtsauffassungen ausgetauscht bzw.
präzisiert.
16. März 2010: Bundesregierung rechnet nicht mit Ansteigen der Kormoranpopulation in Deutschland
Der Pressedienst hib (heute im Bundestag Nr. 77) gibt folgendes bekannt: "Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass sich die Zahl der Kormoranbrutpaare in den nächsten Jahren weiter erhöhen
wird. In Deutschland leben derzeit 23.965 Kormoranbrutpaare. Diese Zahl nennt die Bundesregierung in einer Antwort (17/980) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/694)
über die Entwicklung des Kormoranbestandes und die daraus resultierenden Folgen für die Artenvielfalt in heimischen Gewässern. Nachdem die Zahl der Tiere seit Beginn der 80-er Jahre
kontinuierlich gestiegen war, deute jetzt vieles darauf hin, ”dass der Kormoran in Deutschland die Kapazitätsgrenze seines Lebensraumes inzwischen erreicht hat“, heißt es in der Antwort.
Gleichzeitig nehme die ”innerartliche Konkurrenz“ zu, so dass nicht mit relevanten Wachstumsraten zu rechnen sei, lautet die Einschätzung der Regierung. Auf die Frage, welchen Einfluss die
Kormorane auf den Bestand von gefährdeten Arten geben könne, erklärt die Regierung, dass ihr dazu keine gesicherten Kenntnisse vorlägen, da es sehr aufwändig sei, entsprechende Zahlen über die
Wechselwirkungen zwischen den Tieren und ihrer Beute zu untersuchen. Die Einführung eines ”Kormoranmanagementplans“ auf europäischer Ebene hält die Bundesregierung für nicht wahrscheinlich, da
die überwiegende Zahl der EU-Mitgliedstaaten einen solchen Plan nicht für erforderlich hält, heißt es in dem Papier. Auch die Europäische Kommission lehne die Erarbeitung eines solchen Planes ab
und erklärt, dass dies ”nicht verhältnismäßig“ sei." (Zitat-Ende)
5. Juli 2010: Verzicht des Landkreises auf weitere
Abschussgenehmigungen
Nachdem sich die Hauptsache im Klageverfahren gegen den Landkreis Ammerland, nämlich die Abschussgenehmigung für das Jahr 2009, durch Ablauf des Genehmigungszeitraums erledigt hat, stellte sich
die Frage nach der Reaktion des Landkreises auf mögliche gleichgelagerte Anträge der Fischerei Rabben für die Folgejahre. Dazu erklärte der Landkreis in einer schriftlichen Stellungnahme
gegenüber dem Verwaltungsgericht Oldenburg, dass „infolge der sich verfestigenden Rechtsprechung bei unveränderter Sachlage keine Folgegenehmigungen ausgesprochen werden." Die jüngsten
Gerichtsentscheidungen zu entsprechenden Verfahren für das Vogelschutzgebiet Weseraue (Verwaltungsgericht Minden), das NSG an der Sieg (Verwaltungsgericht Köln) und das Steinhuder Meer
(Verwaltungsgericht Hannover) sowie die Entscheidung des Umweltministers E. Uhlenberg (CDU) in Nordrhein-Westfalen, die Kormoran-Verordnung und den begleitenden Erlass in NRW auslaufen zu lassen,
haben offenbar zu dieser Erkenntnis beigetragen.
Das Klageverfahren ist damit zwar im juristischen Sinne noch nicht beendet, gleichwohl kann es aus Sicht des Naturschutzes (zunächst) als abgeschlossen betrachtet werden.
Hinweis: das "Komitee gegen den Vogelmord e.V." hat zum gleichen Thema in seinem Artenschutzbrief 14 einen lesenswerten Beitrag unter dem Titel
"Besser als sein Ruf" abgedruckt.
An dieser Stelle danken wir allen, die mit uns in der Vergangenheit gegen die sinnlose Tötung von Kormoranen protestiert haben
!
Steckbrief des Kormorans
Aussehen:
schwarzes Federkleid, bis zu 90 cm Körpergröße
Nahrung:
lebt ausschließlich von Fisch, frißt ca. 350 - 500 g/Tag, während
der Jugenaufzucht bis zu 700 g/Tag
Sozialverhalten:
Koloniebrüter, wobei beide Elternteile das Nest bauen und die Brut
versorgen
Verbreitung:
am Rande der Ausrottung Ende des 19. Jahrhunderts. Inzwischen in
Deutschland wieder ca. 15.000 Brutpaare mit Schwerpunkten in Mecklen-
burg-Vorpommern, Brandenburg und Schleswig-Holstein. Verbreitung in
Europa: Dänemark, Holland und Polen
² bei Interesse können die Stellungnahmen hier nachgelesen werden!
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