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Gewerbegebiet Autobahnkreuz Oldenburg-Nord

Industriepark Loy/Ipwege

Schilda lässt grüßen oder wo Politik auf Wirklichkeit trifft: ein ökologisches und soziologisches Drama in fünf Akten

So sah der Wald an der B 211 vor dem Dez. 2008 aus...
So sah der Wald an der B 211 vor dem Dez. 2008 aus...

1. Akt: Der Bürgermeister erklärt in Bürgerversammlungen Anfang 2008, die Gemeinde Rastede suche seit vielen Jahren nach neuen Gewerbeflächen im Bereich Wahnbek und Ipwege. 2007 hätte man endlich einen verkaufsbereiten Grundeigentümer gefunden und schon wenige Tage nach der Beurkundung des Kaufvertrages sei der Bebauungsplan „Industriegebiet am BAB-Kreuz Oldenburg-Nord“ auf den Weg gebracht worden. Im September 2008 war dieser dann beschlossene Sache.

2. Akt: Im Morgengrauen des 1. Dezember 2008 begannen die Rodungsarbeiten von ca. 10 ha Mischwald mit vielen alten Buchen und Eichen an der Braker Chaussee (B 211) einen Tag nach offizieller Ankündigung. Seitdem liegt diese Fläche fast vollständig brach und es zeigen sich erste Anzeichen einer natürlichen Bewaldung. Der NABU Rastede, eine Bürgerinitiative und Anwohner hatten sich gegen die Rodung und die Ausweisung als „Industriegebiet“ gewandt, weil der zugrundeliegende Bebauungsplan mit vorgetäuschter Begründung von der Gemeindeverwaltung auf den Weg gebracht und durch den Gemeinderat verabschiedet worden war. Gerichtliche Hilfe über eine Normenkontrollklage blieb zunächst aus, weil die Gemeinde mit dem Argument beim Oberverwaltungsgericht Erfolg hatte, dass eine Überprüfung des Bebauungsplans durch das Gericht nicht abgewartet werden könne.

3. Akt: In der Zwischenzeit versucht der NABU - zusammen mit Anwohnern in Loy und Ipwege - Klarheit über die Unternehmen zu erreichen, die sich an der B 211 ansiedeln wollten, mithin Anlaß für den Bebauungsplan waren und so für die „anhaltend hohe Nachfrage“ standen, wie es in dessen Begründung hieß. Weiterhin war von Interesse, welche Ansiedlungspläne die Gemeindeverwaltung verfolgte. Nach jahrelangen fruchtlosen anwaltlichen Auseinandersetzungen konnte schließlich durchgesetzt werden, dass der Erste Gemeinderat vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg als Zeuge vernommen wurde.

Hier die wesentlichsten Passagen seiner Aussage zu der im Bebauungsplan behaupteten „anhaltend hohen Nachfrage“ aus dem Gerichtsprotokoll vom 25.08.2010:
- Zur Frage nach der Ermittlung des jährlichen Bedarfs von 5 ha gewerblicher Baufläche:
„… konkrete weitere Unterlagen gibt es zu diesem Punkt nicht, sondern diese Zahl ist allein auf Erfahrungswerte gegründet.“

...und so sieht es im März 2012, 3 1/2 Jahre nach dem Kahlschlag, immer noch aus
...und so sieht es im März 2012, 3 1/2 Jahre nach dem Kahlschlag, immer noch aus

- Zur Frage nach der Bedeutung des neuen Industriegebiets im Wettbewerb zwischen Städten und Gemeinden:
  „Solche Unterlagen gibt es nicht. Es sei denn, die Frage zielt auf das Gewerbeflächenentwicklungs- konzept des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaft ab."
- Zur Erforderlichkeit der Industriegebietsausweisung für Unternehmen mit Drei-Schicht-Betrieb:
"Es gibt nur solche Unterlagen, die wir ohnehin schon vorgelegt haben, wie z.B. die Anfrage der Firma Brötje." (der Wortlaut dieser Anfrage vollständig, aber ohne Anrede- und Grußformeln: „Die August Brötje Handel KG beantragt den Kauf eines 10.000 qm großen Grundstücks im neu geplanten Industriegebiet. Voraussetzung ist allerdings, dass das neue Gebiet auch als Industriegebiet ausgewiesen wird.“)
- Zu den Kriterien für ansiedlungswillige Unternehmen:
"Es gibt keine solchen Kriterien."

Nach dieser Offenbarung sind NABU und die Loyer und Ipweger Bürger der Meinung, dass nicht nur der Wald immer noch hätte stehen können, sondern die Frage beantwortet werden muß, wer für diese Entwicklung verantwortlich ist. Der Wald „mußte“ eiligst gerodet werden, nachdem vor Gemeinderat und Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wurde, ansiedlungswillige Industrieunternehmen stehen quasi schon vor der Rathaustür und springen ohne schnelle Entscheidung womöglich noch ab. NABU und Bevölkerung fragen: muß es nicht Konsequenzen aus der unter falschen Voraussetzungen angeordneten Waldrodung geben ? Eine maßvolle Änderung der Planungen und die Bereitschaft für eine großzügige (Wieder-) Aufforstung hier oder an anderer Stelle wären ein erstes Zeichen...

4. Akt: Das Drama nähert sich seinem Ende - die Akteure warten gespannt darauf, ob neuer Wald oder ansiedlungswillige Unternehmen die Oberhand über den „Industriepark“ gewinnen...

 

5. Akt: Winter 2011/12: Damit letzteres nicht geschieht, werden vom Land bereitgestellte öffentliche Mittel (Steuergelder) in Millionenhöhe  dafür verwendet, die "Infrastruktur" auf der Fläche herzustellen. Das soll ein wenig den Eindruck des Schildbürgerstreichs kaschieren, der mit der Rodung des Waldes seinen Anfang nahm. Nebenbei wurde ein Graben vom Regenrückhaltebecken in einen geschützten Biotop geleitet. Nach der Meldung durch aufmerksame Loyer und der anschließenden Intervention des NABU beim Landkreis mußte diese Zuleitung wieder geschlossen werden.

Sommer 2013: Damit sich der Eindruck von Trostlosigkeit nicht zu sehr breitmacht, dürfen Fahrzeuge der benachbarten Betriebe am Rande des "Industriegebiets" abgestellt werden. Ansonsten siehe 4. Akt!

 

 

Ein ausführlicher Blick zurück:

 

Dezember 2008: 10 ha Wald innerhalb weniger Tage abgeholzt!

Über 30 alte Eichen mußten weichen, Fotos (3) K. Hinsch
Über 30 alte Eichen mußten weichen, Fotos (3) K. Hinsch

Wegen "anhaltend hoher Nachfrage" nach Gewerbeflächen in Wahnbek/Ipwege plant die Gemeinde an der B 211 bei Loy einen Industriepark, dabei verfügt Rastede mit einer Ausnahme bereits an jeder Einfallstraße über ein Gewerbe- bzw. Industriegebiet. Auf ca. 20 ha sollen Betriebe angesiedelt werden, die Emissionen in Form von Schadstoffen, Abgasen, Gerüchen und Lärm produzieren, die in anderen Gewerbegebieten unzulässig sind. Dafür mußten im Dezember 2008 in einer Nacht- und Nebelaktion (Ankündigung am Sonntag, 30.11., Rodungsbeginn am Montag, 01.12.!) im ach so waldreichen Ammerland 10 ha Wald weichen, um sie in „blühende Landschaften“ zu verwandeln. Selbst der von der Opposition geforderte Grüngürtel entlang der B 211 durfte nicht stehenbleiben, damit die dort anzusiedelnden Firmen "gesehen werden können". Und das obwohl nach letzten Erkenntnissen der Klimawandel viel schneller und dramatischer prognostiziert wird als bisher angenommen (arktisches Packeis könnte bis 2040 bereits völlig abgeschmolzen sein verbunden mit einem Meeresspiegelanstieg um bis zu 1,20 m mit verheerenden Auswirkungen auf unsere Küstenregionen; auch wird eine 37%ige Zunahme sturmbedingter Schäden erwartet (Quelle: WWF, Okt. 2008).

Da zählt jeder ha unversiegelter Boden, insbesondere Wald als CO²-Speicher!
Solche von Verantwortung gegenüber diesen und nachfolgenden Generationen zeugenden Überlegungen sind in Rastede zumindest für die Öffentlichkeit nicht erkennbar. Die als Kompensation deklarierten Baum-Ersatzpflanzungen an unterschiedlichen Standorten haben, selbst wenn sie den abzuholzenden Wald flächenmäßig übertreffen, frühestens in 30 - 50 Jahren eine ähnliche Wirkung als Sauerstoffspender und CO²-Speicher, sind aber, bedingt durch die Kleinräumigkeit, kein annähernd gleichwertiger Ersatz für den vernichteten Wald! Die Bürger der Ortsteile Loy, Ipwege und Wahnbek haben sich organisiert und wollen zusammen mit dem NABU verhindern, dass die Pläne umgesetzt werden und wenige wohnortnahe Arbeitsplätze gegen die Wohnqualität ganzer Ortsteile eingetauscht werden.

Die einseitige, nur auf wirtschaftliche Intentionen ausgerichtete Betrachtungsweise wird sich rächen: Natur und Landschaft werden irreparabel geschädigt, die (zugewanderten, arglosen) Bürger verlieren nach und nach die ihnen in schönen Bildern offerierte Lebensqualität im noblen Residenz- und Luftkurort Rastede. Offenbar blind für die vielen Nachteile solcher Ansiedlungen bzw. den Argumenten des Bürgermeisters hilflos ausgeliefert wird weiterhin nach der Gleichung: neue Betriebe = neue Arbeitsplätze = neue Einwohner = zusätzliche (Steuer-) Einnahmen = zufriedene Bürger gehandelt. Letzteres wird jedoch immer fraglicher.

Die zumeist Betroffenen, die Loyer, Ipweger und Wahnbeker Bürger, laufen Sturm. Für sie ist das Maß voll. Wir möchten an dieser Stelle die in der Sache zur Meinungsbildung beitragenden Stellungnahmen von Bürgern unserer Gemeinde veröffentlichen. Lesen Sie dazu den Offenen Brief einer Initiative Wahnbeker und Ipweger Bürger an Bürgermeister Decker. Auch ein am 23.06.2008 im Lokalteil der NWZ veröffentlichter, leicht gekürzter Leserbrief eines Rasteder Bürgers auf einen diesbezüglichen NWZ-Bericht vom 30.05.2008 verdient u. E. ein breites Publikum. Nicht erst nach diesen öffentlichen Äußerungen von Bürgern Rastedes muß die Frage erlaubt sein: für wen spricht oder handelt diese Gemeinde noch? Für ihre Bürger? Hier bekommt Politikverdrossenheit ein Gesicht!
Und der Landkreis Ammerland als Genehmigungsbehörde im fernen Westerstede? Größere Bedenken gegen die Abholzung von 10 ha Wald und die Landschaftszerstörung gab es offenbar nicht!

Auch die überregionalen Medien sind aufmerksam geworden. So berichtete am 23.06.2008 NDR1 Niedersachsen in seinen Nachrichtensendungen von den Rasteder Auseinandersetzungen.

Behördlich sanktionierte Waldvernichtung: als hätte ein Tornado gewütet...
Behördlich sanktionierte Waldvernichtung: als hätte ein Tornado gewütet...

Der NABU Oldenburger Land e.V. hat im Zuge der öffentlichen Auslegung der Bebauungsplanunterlagen seine Bedenken in einer mehrseitigen Stellungnahme an die Gemeinde geäußert und insbesondere wegen unvollständiger bzw. fehlender faunistischer Untersuchungen des Gebietes eine Nachuntersuchung und nochmalige Auslegung der Planunterlagen gefordert. In einer NABU-Bewertung wurden die Unzulänglichkeiten im Fledermaus-Gutachten der Planungsgruppe NWP aufgezeigt und neue, deutlich erweiterte Untersuchungen zur Fledermaus-Fauna im Plangebiet angemahnt.

Entgegen aller öffentlichen Proteste von Bürgern der Gemeinde in unzähligen Leserbriefen (NWZ, rasteder rundschau), ganzseitigen Anzeigen (Ammerländer Sonntagszeitung) und einer NDR1-Podiumsdiskussion ("Jetzt reicht's"), bei der der Bürgermeister und die Mehrheitsfraktion von CDU, FDP und UWG es nicht für nötig erachteten, der Bevölkerung und der interessierten Öffentlichkeit Rede und Antwort zu stehen, wurde die 38. Änderung des Flächennutzungsplans und der Bebauungsplan 86 vom Gemeinderat am 23.09.2008 auf den Weg gebracht. Begleitet war die turbulente Sitzung im vollbesetzten Delfshauser Saal von den Protesten der "Initiative gegen ein Industriegebiet in Rastede". Die Sachargumente der Fraktionen von SPD und Grünen, allerdings nur auf Abstufung des Industrie- zum Gewerbegebiet, fanden erwartungsgemäß kein Gehör. Die NABU-Stellungnahme fand erwartungsgemäß in der "Abwägung/Beschlußempfehlung" für den Gemeinderat keine Berücksichtigung.

Höchst peinlich für eine öffentliche Verwaltung mutet der Umstand an, dass ein v o r der entscheidenden Ratssitzung im Gebiet aufgestelltes, provokantes großformatiges Werbeplakat nach Intervention der Initiative wieder abgenommen worden ist. Die Initiative und der NABU Oldenburger Land e.V. haben nach dieser Sitzung einen Fachanwalt mit der Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten für das weitere Vorgehen beauftragt.

...dabei sollte es eigentlich noch blühender werden (Okt. 2008), Fotos (2) H. Lobensteiner
...dabei sollte es eigentlich noch blühender werden (Okt. 2008), Fotos (2) H. Lobensteiner

Zur Verhinderung eines Kahlschlags der 10 ha Wald und damit dem Entzug jeglicher wissenschaftlicher Grundlage für ein fundiertes faunistisches Gutachten wurde noch am Tage des Rodungsbeginns am 01.12.2008 beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg ein sofortiges Aussetzen der Rodungsarbeiten beantragt und ein Normenkontrollantrag gegen den BPlan 86 angekündigt. Das Lüneburger Gericht konnte sich aber nicht unserer Rechtsauffassung anschließen und sah keinen Handlungsspielraum für die Einstellung der Rodungsarbeiten. Nach Vorliegen eines in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens werden weitere juristische Schritte geprüft.

Der Öffentlichkeit ist selbst 3 1/2 Jahre nach Planungsbeginn noch immer kein Unternehmen bekannt (gemacht worden), dass konkrete Ansiedlungsabsichten im künftigen Industriepark bekundet hat. Wird hier die Bevölkerung bewußt vorgeführt, nachdem der Wald als größtes Hindernis aus dem Weg geräumt wurde?

Unser-Wahnbek-Ipwege.de

 

O f f e n e r B r i e f

 

Gemeinde Rastede
Herrn
Bürgermeister Dieter Decker
Sophienstraße 27
26180 Rastede

 

 

Wahnbek/Ipwege, am 3. April 2008

 

Industriegebiet AK OL-Nord, Schafjückenweg/B 211

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
das vergangene Jahr beenden Sie recht philosophisch, indem Sie in Ihrem Grußwort zum Jahreswechsel den Griechen Aristoteles mit den Worten bemühen: „Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen“ und dann stolz feststellen, im vergangenen Jahr „viele Segel gesetzt“ und damit „das Gesicht der Gemeinde nachhaltig verändert“ zu haben.
In der Tat, Sie verändern das Gesicht unserer Gemeinde! Nachhaltig, nachhaltiger geht’s nicht. Und es kommt ja alles noch viel schlimmer. Und es wird eher hässlicher, das Gesicht.
So haben wir mit Erstaunen auf der Bürgerversammlung in Wahnbek am 5. März Ihre Ausführungen zum geplanten Industriegebiet und zuletzt Ihre Bemerkungen im Bericht „Kontroverse um Industriegebiet“ der Rasteder Rundschau vom 16. März 2008 zur Kenntnis genommen!
Rastede benötigt, sagen Sie, unbedingt ein weiteres uneingeschränktes Industriegebiet (schön umschrieben mit „Industriepark“), das vorwiegend der Unterbringung von Gewerbebetrieben dient, die in anderen Gewerbegebieten unzulässig sind, wie es § 9 (1) BauNVO beschreibt. Das heißt, hier sollen störende Industriebetriebe angesiedelt werden, die über einen normalen Gewerbebetrieb hinausgehende Emissionen wie Verunreinigungen der Luft durch Abgase und Gerüche, Lärm und andere Störungen verursachen.
Sie verweisen darauf, dass es im „Nordwesten insgesamt eher weniger Industriegebiete“ gäbe und dass „wir alle Bedingungen erfüllen, um am Nordkreuz Industrie anzusiedeln“. Das sei „ein enormer Vorteil beim Werben um Betriebe“. Das zählt. Sonst gar nichts.
Dieses Vorhaben, wenn auch in damals viel kleineren Dimensionen, erinnert viele Einwohner Ipweges und Wahnbeks fatal an das Jahr 1998, als Sie mit Macht versuchten, die Ansiedlung Schweinezuchtverband Weser-Ems in Ipwege durchzusetzen und einem geballten Bürgerprotest gegenüber standen.
Im vergangenen Jahr beunruhigten Sie – nicht nur – die umliegenden Bewohner der Gewerbegebiete AK OL-Nord und Brombeerweg mit der geplanten Ansiedlung eines mit Palmöl betriebenen Blockheizkraftwerks, das vermutlich enorme Geruchs- und andere Emissionen mit sich gebracht hätte. Aber zum Glück der Bewohner hat dieser Investor wohl von seinen Plänen Abstand genommen.
Zwar behaupten Sie immer wieder, nur Betriebe anzusiedeln, „die zu uns passen“, wenn’s aber drauf ankommt, nehmen Sie aber jeden, s. o., einerlei, ob er nun in die Landschaft und zu unserem (Luftkur-) Ort passt oder nicht. Und so wird es sicherlich auch hier werden.
„Ich will alles, ... und noch viel mehr...“ mit diesem Zitat aus einem deutschen Schlagertext könnte man Ihr Bestreben auch hier benennen. Gut 21 ha Wald- und Ackerfläche in exponierter Lage wollen Sie vernichten (das ist die zehnfache Größe des neuen Baugebiets
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63 F am Hohe Brink, um vielleicht eine Vorstellung vom Flächenverbrauch zu haben), wollen sie zubetonieren und asphaltieren und mit blendenden, protzigen, meist hässlichen, unproportionierten Bauten vollstellen, die weit in die Landschaft hineinwirken (qualmende, stinkende Schlote einer Müllverbrennungsanlage vielleicht mag man sich hier noch gar nicht vorstellen). Kein Baum soll hier stehen bleiben.
Wir finden geradezu erschreckend, dass Sie sich schon im Vorfeld so eindeutig festlegen, was die Einbindung der Industriebauten in die Landschaft angeht! Von einem harmonischen Übergang des Gewerbegebiets zur freien Landschaft halten Sie gar nichts. Sie und - wie Sie behaupten – auch die Investoren wollen von weitem gesehen werden.
Sie, Herr Decker, haben keinerlei Verständnis für die Menschen vor Ort - auch die SPD-Ratsfraktion wünscht eine Einbindung in die Landschaft mittels eines Baumgürtels (siehe NWZ 25.02.08) -, ja, Sie überziehen die, die sich um die Zukunft unserer Dörfer Sorgen machen, mit Spott. Anders kann man Ihre süffisante Bemerkung in der Rasteder Rundschau vom 16.03.08 doch nicht lesen: „Die Firmen in Rastede müssten sich nicht hinter Bäumen verstecken, ‚denn es ist keine Schande, ein Gewerbe zu betreiben’“.
Nur schwer vorstellbar, wie angesichts Ihrer Vorfestlegungen überhaupt noch ein unvoreingenommener Abwägungsprozess im Bauleitverfahren stattfinden kann! Das Ganze nur eine Farce? Nur demokratischer Klimbim, da in unserer Gemeinde nur Ihre Meinung zählt und Sie die Macht haben, diese auch durchzusetzen?
Unbegreiflich auch, dass Sie überhaupt nicht bereit sind, das Umweltbewusstsein der Bürger in solche Planungen, die tiefgreifende, irreparable Auswirklungen zeitigen werden, einzubeziehen und ihnen deutlich zu machen, wie Sie deren ernsthaften Anregungen und Bedenken Rechnung tragen wollen. Die hier vorgesehenen Ersatzmaßnahmen kann kein Anwohner und Betroffener als Verbesserung in seinem Umfeld erkennen, im Gegenteil!
Vergessen Sie bitte nicht, dass Landschaft und Natur uns allen gehört. Und nicht Ihnen und den Investoren!
Dass dieses Industriegebiet unsere Landschaft unwiederbringlich zerstört, nehmen Sie bewusst oder wenigstens billigend in Kauf. Für Sie zählen ausschließlich wirtschaftliche und fiskalische Argumente
Wir wollen keine ausgeräumte Landschaft, wir wollen die Natur hier vor Ort erhalten. Ausgleichspflanzungen müssen in unmittelbarer Nähe durchgeführt werden und nicht in irgendwelchen „Flächenpools“ irgendwo im Ipweger Moor oder an den Autobahndämmen. Unsere Dörfer gehen sonst vor die Hunde.
Bedenken Sie bitte, dass Sie mit einem verdorbenen Ortsbild Unzufriedenheit für Generationen säen.
Wir fordern Sie auf, das Gewerbegebiet nicht länger als „uneingeschränktes Industriegebiet“ zu planen, sondern den vorhandenen benachbarten Gewerbegebieten gleichzustellen.
Wir fordern, den vorhandenen Baumbestand, der überwiegend aus Nadelhölzern besteht) auf der 20 m breiten (gesetzlich vorgeschriebenen) nicht überbaubaren Abstandsfläche entlang der B 211 zu erhalten und durch Laubbäume und –sträucher zu ergänzen.
Mit Nachdruck fordern wir auch die Einbindung in die Landschaft nach Osten und Südosten, (Blickrichtung von Butjadinger Straße und der östlichen B 211). Da es an die 30 Jahre dauert, bis ein Baum eine gewisse Höhe und damit seine Wirkung auf die Landschaft erreicht, sollte mit der Anlage von Sichtschutzgürteln unverzüglich bei Erschließung des Gewerbegebiets begonnen werden.
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Da der Hillersweg keinerlei Bedeutung für das Industriegebiet hat, auch nicht für dessen Erschließung, fordern wir den Erhalt der uralten Wallhecke ohne Abstriche, das heißt, ohne die bei anderen Baugebieten üblichen Abholzungen und Aufastungen seitens der Gemeinde.
Wir fordern Sie darüber hinaus auf, für die Wallhecke in ganzer Länge und mit ihrem gesamten vorhandenen Baum- und Strauchbestand Unterschutzstellung als Naturdenkmal zu beantragen.
Wie heißt es doch auf der Website, die Lage der Gemeinde Rastede sei ideal und verkehrsgünstig am Rande Oldenburgs gelegen und biete „dennoch alle Vorteile eines Erholungsortes“ (!). Auch dann noch, wenn nun bald die dritte Autobahn unsere Gemeinde durchschneidet und sich an jeder Autobahnabfahrt Gewerbe- und Industriegebiete in die Landschaft fressen und die Wohngebiete einkesseln?!
Nicht erst hier stellt sich die Frage, ob in der Gemeinde Rastede Industrie, Tourismus und Wohnen im Grünen (oder gar im „Erholungsort“) noch lange miteinander zu vereinbaren sind.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Unser-Wahnbek-Ipwege.de
gez. Frerichs gez. Meins gez. van Ohlen gez.Condit gez. Diepholz
(Heike Frerichs) (Manfred Meins) (Gisela van Ohlen) (Angelika Condit-Dannemann) (Cord Diepholz)
In Kürze finden Sie uns im Internet unter
www.Unser-Wahnbek-Ipwege.de
Heike Frerichs, Eibenstraße 6
Manfred Meins, Butjadinger Straße 117
Gisela van Ohlen, Feldstraße 38 b
Angelika Condit-Dannemann, Butjadinger Straße 79
Cord Diepholz, Berneweg 18
alle wohnhaft in 26180 Wahnbek/Ipwege

Manfred Meins, Butjadinger Straße 117, 26180 Rastede/Ipwege, Tel 04402-81176

 

10. Juni 2008

 

Leserbrief
zu Ihrem Bericht in der NWZ vom 30.05.08

 

Rasantes Wachstum


Es vergeht in der letzten Zeit kaum eine Woche, ohne dass sich Bürgermeister Decker/Gemeinde Rastede zum geplanten Industriegebiet in Ipwege zwischen B 211 und Hillersweg äussert. Kritik an der Ausweisung als uneingeschränktes Industriegebiet und Forderungen, es den vorhandenen Gewerbegebieten am Nordkreuz anzugleichen, lässt er nicht zu. Dabei dienen Industriegebiete, das sagt § 9 Absatz 1 BauNVO, ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in „normalen“ Gewerbegebieten unzulässig sind. Hier finden vor allem Unternehmen ihren Standort, die wegen ihres hohen Störgrades durch Emissionen, wie zum Beispiel Luftverunreinigungen oder Lärm in anderen Gewerbegebieten unzulässig sind!
Gebetsmühlenartig wiederholt er, wie auch das beauftragte Planungsbüro, dass die neu anzusiedelnden Betriebe „gesehen werden wollen“ und sollen. Und dass darum kein Baum im neuen Industriegebiet stehen bleiben darf (von wenigen Feigenblättern abgesehen). Über 100.000 qm Wald und eine Jahrhunderte alte Wallhecke müssen vernichtet werden, die gesamte Flora und Fauna. Selbst im nicht überbaubaren Randstreifen an der B 211, der die in der Regel nicht vor Schönheit strotzenden Gewerbebauten in die Landschaft einbinden könnte, muss für dieses Ziel alles plattgemacht werden.
Vorbehaltlos unterstützt wird der Bürgermeister dabei von der Ratsmehrheit aus CDU, FDP und UWG.
Aber wie soll sichergestellt werden, dass ein Unternehmen in der zweiten oder gar dritten Reihe auch von überall zu sehen ist, das wird vermutlich erst in der nächsten Bauausschusssitzung am 23. Juni entschieden..
Um so erstaunlicher ist es dann, wenn man Berichte über die Unternehmen liest, die sich im Gewerbegebiet OL-Nord am Schafjückenweg in den vergangenen Jahren angesiedelt haben. Keiner dieser Betriebe ist von der B 211 aus zu sehen, weil der (noch) vorhandenen Wald sie verbirgt! Wie konnte es möglich sein, dass gleich vier Unternehmer, die doch keine Hinterwäldler sind, so gravierende Fehlentscheidungen bei ihrer Standortwahl trafen?! Da sie nicht schon aus großer Entfernung zu sehen sind, müsste der Pleitegeier sie doch schon nach kurzer Zeit hingerafft haben!
Doch dann liest man ausgesprochen Erfreuliches in der NWZ: Vierol wird sein Lager um 4000 qm in diesem Jahr erweitern und 20 neue Arbeitsplätze schaffen (NWZ, 26.10.07). Brötje-Handel baut weitere 1600 qm Lagerfläche und erweitert um den Bereich Elektro (NWZ, 02.06.08).
„Rasantes Wachstum“, so die Überschrift Ihres Artikels in der NZW vom 30.05.08, erlebt die Firma Witte, wie sich die Mitglieder des CDU-Gemeindeverbands bei einem Firmenbesuch überzeugen konnten: Die 2006 erbaute Halle von 4500 qm wird schon zwei Jahre später erweitert. Die Mitarbeiterzahl hat sich verdoppelt, der Umsatz verdreifacht. (Nur von Noveda sind bislang keine Erweiterungspläne bekannt. Da wird man sich doch wohl keine Sorgen machen müssen?)
Staunend, wie auf dem Foto zu Ihrem Bericht zu sehen, nehmen Bürgermeister, dessen Stellvertreter und andere CDU-Ratsmitglieder diese schöne Entwicklung zur Kenntnis. Dass aber Wittes Halle direkt hinterm Wald steht, haben sie nicht bemerkt, oder haben sie den Wald vor lauter Bäumen gar nicht gesehen?

NABU Oldenburger Land e.V., Schloßwall 15, 26122 Oldenburg
Einschreiben
Gemeinde Rastede
Sophienstr. 27
26180 Rastede                                                                  Oldenburg, 26.07.2008

 

Bebauungsplan Nr. 86
„Gewerbegebiet Autobahnkreuz Oldenburg-Nord“

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der NABU Oldenburger Land hat erhebliche Bedenken bei der von Ihnen durchgeführten Planung zum o. g. Gewerbegebiet. Zum einen sind wir der Meinung, dass in Rastede inzwischen ausreichend Gewerbeflächen für den örtlichen Bedarf zur Verfügung stehen, zum anderen haben wir aus Sicht des Schutzes von Natur und Landschaft wegen der erheblichen Auswirkungen auf den Naturhaushalt durch den flächenhaften Kahlschlag eines ganzen Waldkomplexes (10 ha!) mit der sich anschließenden Flächenversiegelung für große Industriebetriebe und wegen der bisher vorliegenden, äußerst lückenhaften faunistischen Erfassung der hier vorkommenden Arten und Lebensgemeinschaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des bisherigen Verfahrens. Wir sind weiterhin der Meinung, dass die Gemeinde mit der Ausweisung dieses Gewerbegebietes massiv gegen die Interessen und Lebensbedingungen der Menschen in den umliegenden Ortsteilen Loy, Wahnbek und Ipwege handelt. Im Einzelnen haben wir folgende Hinweise und Bedenken:

 

1. Vorbemerkungen

Im Rahmen des Umweltberichtes zum o.g. Bebauungsplan werden ab Seite 32 die durchgeführten Bestandsaufnahmen der Schutzgüter des UVPG dargelegt. Auf den Seiten 33 bis 38 geschieht dieses für die Schutzgüter Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt. Festzuhalten bleibt, dass die Biotoptypen sowie die Fledermäuse im Jahre 2007 konkret erfasst worden sind. Auf der Seite 41 werden diese Schutzgüter bewertet. Zum einen werden erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne der Eingriffsreglung (Biotoptypen, Tiere u. Pflanzen, Boden, Landschaft) erwartet. Zum anderen werden erhebliche Beeinträchtigungen von Flugtrassen für Fledermäuse erwartet. Diese Beeinträchtigungen erfüllten jedoch nicht den artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand des § 42 BNatSchG, so der Gutachter für den Umweltbericht. Als Begründung wird ausgeführt, dass nur Jagdgebiete und Flugstraßen beeinträchtigt würden, nicht jedoch die eigentlichen Quartiere der Fledermäuse, auf die es bei einer Prüfung nach § 42 ankomme. Ab Seite 44 werden Maßnahmen zur Kompensation für die erheblich betroffenen Schutzgüter erläutert. Es sollen auf sechs Standorten im Gemeindegebiet Maßnahmen zur Waldentwicklung auf ca. 17,14 ha durchgeführt werden. Weitere Maßnahmen sollen im Flächenpool der Gemeinde ausgeglichen werden. Die Beeinträchtigungen der Wallhecke soll im Rahmen des Wallheckenprogrammes des Landkreises Ammerland umgesetzt werden.

 

2. Umweltbericht

Der grundsätzliche Aufbau des Umweltberichtes ist nicht zu kritisieren. Es fehlt jedoch ein vorangegangenes „Screening“ bzw. „Scoping“, aus dem ersichtlich wird, warum welche Aspekte untersucht und betrachtet wurden. Es ist völlig unverständlich, warum avifaunistische und Belange von Amphibien und Insekten gar nicht betrachtet worden sind. Es werden noch nicht einmal Begründungen gegeben, warum diese Artengruppen nicht betroffen sein sollen. Dieses ist schon sehr erstaunlich, da ja ca. 10 ha Wald, im dem mit Sicherheit auch Vögel leben, für die Industrieflächen verschwinden sollen. Ob die Flächen irgendwelche Funktionen für Amphibien haben (es ist schließlich ein kleiner Teich angrenzend), bleibt auch völlig unerwähnt. Vor diesem Hintergrund ist eine angemessene und notwendige Prüfung des Schutzgutes Tiere nicht möglich. Insofern können die nicht betrachteten Aspekte auch nicht in die Gesamtabwägung eingestellt werden. Gleiches gilt für die Kompensation. Man kann nur die Dinge kompensieren, die man auch kennt bzw. erfasst hat. Zumindest hätten, sofern vorhanden, andere verfügbare Quellen hinsichtlich dieser Tierartengruppen ausgewertet werden müssen.

Vor dem Hintergrund der fehlenden Ermittlung wichtiger Aspekte zum Schutzgut Tiere kann über den Bebauungsplan nicht abschließend entschieden werden. Vor einer abschließenden Entscheidung sind die vorgenannten Erfassungen nachzuholen bzw. durchzuführen.

 

3. Spezielle Artenschutzprüfung

Mittlerweile ist es Standard und aus planungsrechtlichen und insbesondere aus naturschutzfachlichen und -rechtlichen Gründen notwendig, bei räumlichen Planungen (wie z. B. Bebauungsplänen) sog. „Spezielle Artenschutzprüfungen“ (SAP) durchzuführen. Dieses ist nicht geschehen.

Rechtliche Grundlagen einer artenschutzrechtlichen Prüfung sind

  •  das Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG),         
  •  die Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG) vom 02.04.1979 und
  • die FFH-Richtlinie (92/43/EWG) vom 21.05.1992           

Darüber hinaus gibt es in diesem Zusammenhang mittlerweile Gerichtsurteile auf europäischer (EuGH) und auch auf nationaler Ebene (z. B. BVerwG), deren entsprechende Berücksichtigung erforderlich ist.

Fachliche Grundlagen einer Prüfung sind aktuelle Bestandsdaten von geschützten Arten sowie die Kenntnis von den zu erwartenden Beeinträchtigungen dieser Arten durch die Planung / das Projekt.

Sowohl die FFH-Richtlinie (FFH-RL) als auch die Vogelschutz-Richtlinie (V-RL) enthalten neben den Anforderungen zum Gebietsschutz auch artenschutzrechtliche Vorgaben, die für das geplante Projekt relevant sind. Nachzulesen ist dieses in den Artikeln 5 und 9 der V-RL sowie in den Artikel 12, 13 und 16 der FFH-RL.

Mit Urteil vom 10.01.2006[1] hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der FFH-RL verurteilt. Dieses Urteil betraf auch die artenschutzrechtlichen Regelungen gemäß Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). In nationalen Urteilen (BVerwG) war die Entscheidung des EuGH bereits maßgebliche Grundlage und führte zu ergänzenden bzw. konkretisierenden Entscheidungen[2].

Im Rahmen einer mittlerweile erfolgten Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes[3] sind relevante artenschutzrechtliche Anforderungen geändert worden. Dieses Änderungsgesetz dient der rechtlich ausreichenden Umsetzung des gegen Deutschland verhängten Urteils des EuGH und muss deshalb als bestimmende Grundlage bei der artenschutzrechtlichen Prüfung angewendet werden. Maßgebliche rechtliche Bezüge sind enthalten in den §§ 42, 43 und 62 des Bundesnaturschutzgesetzes.

Bei Artenschutzprüfungen geht man üblicherweise so vor, dass zuerst betrachtet wird, welche Artengruppen von dem Projekt betroffen sein könnten. Hiernach ist zu entscheiden, ob ausreichende Daten vorliegen oder ob man noch weitere Daten für eine Prüfung benötigt. Ohne ausreichendes Datenmaterial lassen sich keine Prüfungen durchführen. Im Anschluss hieran müssen die Verbotstatbestände der europäischen (Art. 5 V-RL u. Art. 12 FFH-RL) und nationalen (§ 42 BNatSchG) Regelungen pro betroffener Art betrachtet werden. Soweit keine Betroffenheiten gegeben sind, ist dieses zu begründen. Falls doch, ist § 42 Abs. 5 BNatSchG in Verbindung mit den europäischen Regelungen abzuprüfen. Gegebenenfalls sind durch die zuständige Naturschutzbehörde Ausnahmen gem. § 43 BNatSchG oder Befreiungen gem. § 62 BNatSchG auf Antrag zu erteilen.

Den europäischen Vogelarten – dieses sind alle einheimischen Vogelarten - kommt im Schutzregime des § 42 (1) BNatSchG eine Sonderstellung zu: gemäß den Begriffsbestimmungen zählen sie zu den besonders geschützten Arten, hinsichtlich der Verbotstatbestände sind sie jedoch den streng geschützten Arten gleichgestellt. Weiterhin sind einzelne europäische Vogelarten über die Bundesartenschutzverordnung oder Anhang A der EU-Verordnung 338/97 als streng geschützte Arten definiert. Vor diesem Hintergrund ist der Avifauna eine besondere Bedeutung beizumessen. Auch Amphibienarten sind national und europäisch geschützt, so dass auch diese Arten näher zu betrachten sind.

Für den konkreten Bebauungsplan bleibt hinsichtlich des Artenschutzes nachstehendes festzuhalten:

Fledermäuse: Zu dieser Gruppe wurde ein Spezialgutachten erstellt. Der Datenbestand ist insofern aktuell, aber nicht ausreichend. Der Wertung auf Seite 41 des Umweltberichtes, dass keine Verbotstatbestände nach § 42 BNatSchG erfüllt seien, kann in dieser Form nicht gefolgt werden. Zum einen wird der alte Gesetzestext von vor Dezember 2007 benannt („Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtstätten“). Eine konkrete Prüfung muss erfolgen anhand des aktuellen Gesetzestextes. Der Verbotstatbestand des § 42 Abs. 3 BNatSchG ist möglicherweise nicht erfüllt (hiermit sind die Quartiere gemeint), jedoch der des § 42 Abs. 2 BNatSchG, der sich konkret auch mit Jagd- und Flugrouten beschäftigt. Nicht berücksichtigt worden sind in dem Gutachten auch die Untersuchungsmonate April, Mai, September und Oktober, um die frühen und späten Aktivitäten der Fledermäuse sowie die der wandernden Arten zu erfassen und zu bewerten. Vor diesem Hintergrund halten wir eine erneute Prüfung im Zeitraum von April bis Oktober für unabdingbar.

Avifauna u. Amphibien: Da keine aktuellen Daten für eine Prüfung vorliegen, kann der spezielle Artenschutz nicht abgeprüft werden. Es kann zum jetzigen Zeitpunkt als sicher gelten, dass Vögel durch die Planung erheblich betroffen sein werden. Dieses sollte eigentlich klar sein bei dem Verlust von 10 ha Wald und sonstigen Flächen. Bei der Betroffenheit von Amphibien ist eine solche Prognose noch nicht möglich.

Insekten: Ebenfalls ist keine Bestandsaufnahme der Insektenfauna (Käfer, Libellen, Heuschrecken, um nur einige Arten zu nennen) vorgenommen worden und daher auch keine Bewertung der hier vorkommenden Arten möglich.

Die Artenschutzprüfung bzw. der Artenschutzbelang unterliegt nicht der Abwägung bzw. ist der Abwägung nicht zugänglich im Bebauungsplanverfahren (anders als die Eingriffsregelung). Dieses bedeutet, dass ohne eine Prüfung auf Grundlage von aktuellem Datenmaterial der Bebauungsplan durch den Rat der Gemeinde nicht beschlossen werden kann bzw. darf. Erst wenn entsprechende Erfassungen durchgeführt worden sind, kann über den Artenschutz entschieden werden. Soweit notwendig, muss die zuständige Naturschutzbehörde dann Ausnahmen oder Befreiungen erteilen.    

 

4. Kompensation

Es ist naturschutzfachlich höchst zweifelhaft, ob ein Verlust von ca. 10 ha zusammenhängender Waldfläche durch viele kleine Flächen angemessen kompensiert werden können. Dieser Aspekt ist in den Unterlagen überhaupt nicht thematisiert. Dort geht es nur um eine mathematisch korrekte Herleitung, Inhalte bleiben auf der Strecke.

Die Kompensation im Flächenpool der Gemeinde ist zu unkonkret. Hier sollte schon klar benannt werden, was denn wo kompensiert werden soll. Gleiches gilt für die Wallheckenkompensation. Es sollten Art und Ort der Maßnahme benannt werden.  

 

5. Zusammenfassung

Einen Beschluss über den Bebauungsplan durch den Rat der Gemeinde Rastede kann mit den vorliegenden Unterlagen nicht erfolgen. Es fehlen wichtige Bestandsaufnahmen der Avifauna, der Amphibien und Insekten, um eine „Spezielle Artenschutzprüfung“ durchführen zu können. Diese Prüfung bzw. das Ergebnis dieser Prüfung unterliegt nicht der Abwägung, d.h. ohne diese Prüfung leidet der Bebauungsplan an rechtlichen Mängeln. Die Artenschutzprüfung für die Fledermäuse müßte wiederholt werden anhand der aktuellen Gesetzeslage für den Zeitraum April bis Oktober.

Weiterhin müßte die Kompensation überprüft werden. Es sollte angestrebt werden, die Waldflächen an einem Standort zu platzieren. Die übrige Kompensation sollte konkretisiert werden. Der Umweltbericht muss vor diesem Hintergrund angepasst werden.

 

Erst dann und nach einer erneuten Auslegung des Bebauungsplans sind abschließende Entscheidungen möglich.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Horst Lobensteiner 

stv. Vorsitzender

 

 
 

NABU Oldenburger Land e.V.

Schloßwall 15, Tel. 0441/25600

26122 Oldenburg

www.nabu-oldenburg.de

E-Mail: info@nabu-oldenburg.de

 

 

 

 

 

 

 



[1]         vgl. Urteil des EuGH vom 10.01.2006; Rs C-98/03

[2]         vgl. Urteil des BVerwG vom 21.06.2006 – 9 A 28.05; „Ortsumgehung Stralsund“

[3]         vgl. Erstes „Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 12.12.2007“ (BGBl. 2007,            Teil I Nr.63, Seite 2873 ff.)

 Bewertung des faunistischen Gutachtens zur Erfassung von Fledermäusen

aus Anlaß der Aufstellung des Bebauungsplans 86 "Industriegebiet AK Oldenburg Nord"

Gemeinde Rastede, durch die Planungsgesellschaft NWP (Stand: Okt. 2007)

 

 

                        

                                   Horst Lobensteiner                                                               

NABU Oldenburger Land e.V.                       Oktober 2008

 

 

 

1. Einleitung

 

1.1 Artenspezifische Lebensraumansprüche von Fledermäusen

Fledermäuse sind als flugfähige und dadurch hochmobile Säugetiere in der Lage, verschiedenste Lebensräume zu nutzen. Die unterschiedlichen Sommer- und Winterquartiere sowie Jagdhabitate liegen zumeist räumlich mehr oder weniger weit voneinander entfernt und werden im Jahreszyklus zu bestimmten Zeiten aufgesucht. Diese funktionalen Beziehungen zwischen den einzelnen Lebensräumen gilt es für einen umfassenden Fledermausschutz zu berücksichtigen. Die Tagesquartiere von Fledermäusen sind keine konstante Größe, sondern werden bei fast allen Arten in gewissen Abständen gewechselt. Einen ausgeprägten Quartierwechsel zeigen wald-/baumhöhlenbewohnende Arten wie Bechsteinfledermaus (WOLZ 1986) oder auch den im Untersuchungsgebiet festgestellten Großen Abendsegler (KRONWITTER 1988). Das Quartiersystem wird bei vielen Arten durch die Ausbildung von Paarungsquartieren noch komplexer. Dies ist im besonderen vom Großen Abendsegler bekannt, bei dem im Sommer und Frühherbst die fortpflanzungsaktiven Männchen Paarungsquartiere zumeist in Baumhöhlen besetzen. Vom Eingangsbereich der Höhle aus versuchen sie durch Werberufe Geschlechtspartner anzulocken (vgl. GEBHARD 1997). Solche Paarungsquartiere sind auch vom Kleinen Abendsegler, Zwergfledermaus (beide Arten auch in Rastede heimisch) und Rauhautfledermaus bekannt. Die Zwergfledermaus grenzt regelrechte Paarungsterritorien durch Patrouillenflüge ab. Innerhalb eines solchen Territoriums liegt zumeist auch das Quartier (GERELL & LUNDBERG 1985, LUNDBERG 1990).

 

1.2 Fledermäuse in der Landschaftsplanung

 

Neben der Indikationsfunktion sind Fledermäuse auch aus artenschutzrechtlichen Aspekten in der Landschaftsplanung zu berücksichtigen. Gerade in der kommunalen Landschaftsplanung müssen Hinweise für die Eingriffsregelung, u.a. auch die für die Abwägung im Rahmen der Bauleitplanung erheblichen Informationen zusammengestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist das Vorkommen von Tierarten, die nach bundesweit gültigen Verordnungen oder internationalen Abkommen geschützt sind (LOUIS 1992). Fledermäusen muß demnach eine hohe Bedeutung im Rahmen der Abwägung zugemessen werden, denn sie werden von allen artenschutzrelevanten Regelungen als höchst schutzbedürftig eingestuft (vgl. Tab. 1). Eine fehlerfreie Abwägung kann jedoch nur durchgeführt werden, wenn alle relevanten Tatsachen bekannt sind. Das bedeutet, dass alle im Rahmen eines Eingriffs in ihrer Funktion beeinträchtigten Flächen auf das Vorkommen von Fledermäusen zu untersuchen und in ihrer Bedeutung einzuschätzen sind. Auf diese Weise werden die Artenschutzbestimmungen nach § 20f BNatSchG in die Eingriffsregelung transportiert (LOUIS 1992).

Tab. 1: Artenschutzrelevante Regelungen für die einheimischen Fledermausarten

Regelungswerk

Fledermausarten

Bundesnaturschutzgesetz und Bundesartenschutzverordnung

  • fast alle Arten werden in der höchsten Schutzkategorie, als „streng geschützte Arten" eingestuft.

FFH-Richtlinie

Anhang II (Entwicklung eines speziellen Schutzgebietsystems):

Anhangs IV (Einführung eines strengen Schutzsystems):

  •  Große Hufeinsennase
  •  Kleine Hufeisennase
  •  Großes Mausohr
  •  Bechsteinfledermaus
  •  Teichfledermaus
  •  Wimperfledermaus
  •  Mopsfledermaus
  •  alle übrigen Fledermausarten.

Bonner Konvention
(Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten) mit dem Regionalabkommen zum Schutz der Fledermäuse in Europa

  • alle einheimischen Arten (inhaltlicher Schwerpunkt sind jedoch die wandernden Arten).

Berner Konvention

Anhang II (Erhalt der Lebensräume der Arten und Restriktionen für den Fang, Handel etc.):

Anhang III (Allgemeiner Schutz, Regelungen zur Nutzung):

  • alle Fledermausarten mit Ausnahme der Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus).
  • ·         Zwergfledermaus

 

2. Bewertung des vorliegenden Gutachtens

 

Neben den sieben (vgl. Tab. 2) im Gutachten der NWP festgestellten ist noch mit weiteren Fledermausarten im Untersuchungsgebiet zu rechnen. So konnte z.B. TAAKE (1992) bei Netzfängen in einem Waldgebiet neben den in einem Untersuchungsgebiet festgestellten Arten auch noch weitere Arten (Braunes Langohr, Große Bartfledermaus, Fransenfledermaus und Mausohr) fangen. Bis auf die letztgenannte sind diese Arten durch die Detektorarbeit weniger gut nachzuweisen. Beim Einsatz von Netzfängen (Japannetze) hätten weitere Arten möglicherweise auch im Untersuchungsgebiet am AK OL Nord nachgewiesen werden können. So ist z.B. anzunehmen, dass die im Raum Rastede relativ häufigen Arten Kleiner Abendsegler, Fransen- und Mückenfledermaus vorkommen und sogar die fast ausschließlich waldbewohnende Bechsteinfledermaus nicht ausgeschlossen werden kann (RAHMEL mündlich, WOLZ 1986, FUHRMANN & GODMANN 1994).

Tab. 2: Im Untersuchungsgebiet nachgewiesene Fledermausarten und der Erfolg der eingesetzten Methoden (Jagdhabitat=JH, Flugroute=FR, Quartier=Q und Wochenstube=WS).

Methoden

Arten

Feld-
erfassung optisch und mit Detektor

Netzfang im Jagdgebiet

Kontrolle von Nistkästen (wenn vorhanden)

Kontrolle von Gebäude-
quartieren

Öffentlich-
keitsarbeit: Frage nach Quartieren

Quartier-
suche mit dem Detektor

Anzahl der Exkursionen

6

-

-

-

-

6

Wasserfledermaus

JH

-

-

-

-

-

‘Bartfledermaus’

JH

-

-

-

-

-

Br. Langohr

JH

-

-

-

-

-

Großer Abendsegler

JH

 

-

-

-

-

Rauhautfledermaus

JH

-

         -

-

-

-

Zwergfledermaus

JH

-

-

-

-

-

Breitflügelfledermaus

JH

-

-

-

-

-

Arten

7

-

-

-

-

-


Ebenso dürften aufgrund der geringen Untersuchungsintensität Quartiere entgangen sein. Die im Untersuchungsgebiet vorgefundenen Eichen- und Buchen-Altbaumbestände (Lobensteiner, Hinsch, 10/2008) sowohl in den randlichen Bereichen als auch am Rande der größeren Lichtung lassen bei intensiver Suche (Tagesbegehungen mit Fernglassuche sowie Netzfang) durchaus auf Quartierhöhlen schließen. Insgesamt stellt sich die Erfassung der Fledermäuse mittels Detektoren als ergiebig heraus. Sie muß jedoch durch weitere Methoden ergänzt werden (vgl. Tab. 2). Diese sind aus dem Gutachten der NWP nicht ersichtlich, sodass von einer unzureichenden Erfassung ausgegangen werden muß.

 

In der folgenden Tabelle (Tab. 3) sind Handlungsstrategien zur Erstellung fledermauskundlicher Beiträge im Rahmen der Landschaftsplanung dargestellt. Sie beziehen sich auf die von BRINKMANN et al. (1996) gegebenen Empfehlungen. Deren Ziel war es, einen Rahmen für die Festlegung von Mindestinhalten fledermauskundlicher Planungsbeiträge zu beschreiben. Damit sollte auch ein Beitrag zur Qualitätssicherung fledermauskundlicher Gutachten geleistet werden.

Tab. 3: Effektivität der Methoden zur Erfassung der in Deutschland vorkommenden Fledermäuse (nach BRINKMANN et al. 1996, erweitert. Nicht berücksichtigt sind Weißrandfledermaus (GEBHARD 1997) und Langflügelfledermaus (HELVERSEN et al. 1987) mit aktuellen bzw. ehemaligen Vorkommen nur im äußersten Südwesten Baden-Württembergs und Alpenfledermaus mit Vorkommen nur im Süden Bayerns (RICHARZ & LIMBRUNNER1992)). Die im Untersuchungsgebiet bisher festgestellten Arten sind rot, die möglicherweise entgangenen grün gekennzeichnet.

Methode

Art

Feld-
erfassung optisch und mit Detektor

Netzfang vor Höhlen und Stollen

Netzfang im Jagd-
gebiet

Kontrolle von Höhlen und Stollen

Kontrolle von Nistkästen

Kontrolle
von Gebäude-
quartieren

Öffentlichkeits-
arbeit: Frage nach dem Quartier

Quartiersuche mit dem Detektor

Kleine Hufeisennase

+

o

o

+

-

+

+

o

Große Hufeisenase

+

o

o

+

-

+

+

o

Großes Mausohr

o

+

o

+

o

+

+

o

Teichfledermaus

+

+

o

+

o

o

o

+

Wasserfledermaus 

+

+

+

+

+

o

o

+

Kleine Bartfledermaus

-

+

+

-

o

o

o

+

Große Bartfledermaus

-

+

+

-

+

o

o

+

‘Bartfledermaus’

+

+

+

+

+

o

+

+

Fransenfledermaus

o

+

+

+

+

o

o

o

Bechsteinfledermaus

o

+

+

+

+

o

o

o

Wimperfledermaus

o

+

o

+

o

o

o

o

Großer Abendsegler

+

o

o

-

+

o

o

+

Kleiner Abendsegler

+

o

o

-

+

o

o

+

Rauhautfledermaus

+

o

o

-

+

o

o

+

Zwergfledermaus2

+

o

+

-

o

o

+

+

Mückenfledermaus

+

o

+

-

o

o

+

+

‘Pipistrellus’3

+

o

o

o

o

+

+

+

Braunes Langohr

-

+

+

+1

+

+

+

+

Graues Langohr

-

+

+

+1

o

+

+

+

‘Langohr’

o

+

+

+

o

+

+

+

Mopsfledermaus

o

+

o

+

o

o

o

o

Breitflügelfledermaus

+

o

o

o

-

+

+

+

Nordfledermaus

+

o

o

+

o

o

+

+

Zweifarbfledermaus

+

o

o

o

o

o

o

o

 

+ = gut geeignet o = möglich - nicht anwendbar

1 = gute Sichtbarkeit der Tiere erforderlich

2 = zwei unterschiedliche Ruftypen (QCF-Teil bei ca. 45 oder 55 KHz), vermutlich zwei verschiedene Arten (BARRATT et al. 1995, JONES & PARIJS 1993).

3 = Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) und Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus)

 

 

Die akustische Welt der Fledermäuse eröffnet sich erst durch die Benutzung von Batdetektoren, die die im Ultraschallbereich liegenden Ortungs- und Soziallaute für den Menschen hörbar machen. Mittlerweile ist es möglich, die Mehrzahl der einheimischen Arten mit dem Detektor zumindest in typischen Flugsituationen sicher zu bestimmen (LIMPENS & ROSCHEN 1995). Nah verwandte Arten mit ähnlichem Orientierungsverhalten, z.B. Große und Kleine Bartfledermaus und weitere Arten der Gattung Myotis können dagegen im Gelände nicht sicher bestimmt werden. Hinzu kommt, dass einige Arten ein Sonar von nur geringer Reichweite besitzen, so dass ihre Lautäußerungen nur aus wenigen Metern Entfernung im Detektor hörbar werden. Ihre Erfassbarkeit ist dadurch deutlich eingeschränkt.

Zur Erfassung der Fledermäuse eines Gebietes sollten Begehungen in regelmäßigen Abständen vom Frühjahr bis zum Herbst vorgenommen werden (Mindestanforderung April - September, vgl. Abb. 2). Dabei ist zu beachten, dass sich das Artenspektrum und die Funktion des Gebietes für die Fledermäuse im Jahresverlauf ändern kann. Winterquartiere können im Zeitraum von Oktober - April am sichersten festgestelt werden.

Die Artbestimmung mit dem Batdetektor setzt eine sehr intensive Beschäftigung mit dieser Erfassungsmethode voraus. In der Regel ist eine mehrjährige Erfahrung Voraussetzung, um die Variabilität der Rufe kennenzulernen. Bei den Lautäußerungen handelt es sich - abgesehen von den artspezifischen Werberufen - nämlich um Ortungslaute, die in gleichen Flugsituationen bei nah verwandten Arten sehr ähnlich sein können. Für die allermeisten mit dem Detektor bestimmbaren Arten ist eine sichere Bestimmung nur möglich, wenn die Art über längere Zeit gehört und auch gleichzeitig gesehen wird (LIMPENS & ROSCHEN 1995). Häufig ist es aufgrund einer kurzen Rufsequenz nicht möglich, eine Artbestimmung vorzunehmen (vgl. auch die Diskussion bei AHLÉN 1981, 1993, KAPTEYN 1993, WEID & HELVERSEN 1987, ZINGG 1990 u.a).

Eine Absicherung der Artbestimmung kann durch die Aufnahme der Rufsequenz und die anschließende Analyse mit Hilfe von Computerprogrammen erfolgen (vgl. z.B. PETTERSSON 1993). Aber auch dieses Vorgehen erfordert umfangreiches Spezialwissen. Netzfänge müssen immer dann durchgeführt werden, wenn fliegende Fledermäuse nach optischen oder akustischen Kriterien nicht oder nicht sicher bestimmt werden können. Dies ist z.B. bei der überwiegenden Zahl der Arten der Gattung Myotis und den Langohren (Gattung Plecotus) im Jagdhabitat oder auf der Flugstraße der Fall. Ebenso lassen sich schwärmende Tiere vor Höhlen oder Stollen aufgrund der speziellen Flugsituation (enger Flugraum) in der Mehrzahl nicht im Detektor unterscheiden.

Netzfänge im Jagdhabitat haben sich an solchen Orten als besonders effektiv erwiesen, wo verschiedene Fledermausarten konzentriert auftreten. So sind vor allem Gewässer im Wald oder in Waldnähe besonders attraktiv. Hier lassen sich neben den vermutlich in umittelbarer Nachbarschaft jagenden Arten (z.B. Braunes Langohr, Bechsteinfledermaus) auch Jäger des freien Luftraumes (z.B. Kleinabendsegler) fangen. Neben der Attraktivität aufgrund hoher Beutetierdichten suchen die Fledermäuse die Gewässer vermutlich auch zur Wasseraufnahme auf. Von den komplexen, im Jahresverlauf wechselnden Beziehungen zwischen den Teillebensräumen einer Fledermauspopulation lassen sich bei Kartierungen im Rahmen von Planungsverfahren sicherlich nur einige konkret nachweisen.

 
3. Zusammenfassung

 

Fledermäuse nutzen als hochmobile Säugetiere verschiedenste Lebensräume, wobei die unterschiedlichen Sommer- und Winterquartiere sowie Jagdhabitate räumlich mehr oder weniger weit voneinander entfernt liegen und im Jahreszyklus zu bestimmten Zeiten aufgesucht werden. Wechsel der Tagesquartiere sind dabei die Regel. Zur zweifelsfreien Bestimmung der unterschiedlichen Fledermausarten eines Untersuchungsraumes, ihrer Jagdgebiete, ihrer Tagesquartiere und der Weibchen-Wochenstuben sind in der Zeit von April bis Oktober regelmäßige Tages- (Suche nach Quartierhöhlen in älteren Bäumen mit dem Fernglas) wie auch Nachtbegehungen (insges. 15 - 20) mit Hilfe von Batdetektoren erforderlich. Mit diesem Hilfsgerät lassen sich aber eine Reihe von Fledermausarten nicht oder nicht sicher bestimmen (Myotisarten). Für diese Arten bleibt zur zweifelsfreien Feststellung nur der Netzfang mit Japannetzen. Winterquartiere lassen sich erst in der Zeit von Mitte Oktober bis Ende April ausreichend sicher orten. Wegen der Komplexität der Lebensweise und der Lebensraumansprüche, auch innerhalb der Artengemeinschaft, ist es nach wissenschaftlichen Maßstäben daher unumgänglich, die Untersuchungen eines Gebietes über einen gesamten Jahreszyklus durchzuführen. Es reichen nicht einige wenige Sommerbegehungen wie im Gutachten der NWP aus, um ein exaktes Bild über ein Fledermaushabitat zu erlangen.

 

4. Literatur

AHLÉN, I. (1981): Identification of Scandinavian Bats by their sounds. - Swedish Univ. Agricultural Sciences, Department of Wildlife Ecology, Rapport 6: 1-57.

AHLÉN, I. (1993): Species identification of bats in flight. - In: KAPTEYN, K. (eds.): Procceedings of the first European Bat Detector Workshop, S. 3-10, Netherlands Bat Research Foundation, Amsterdam.

BARRATT, E.M., BRUFORD, M.W., BURLAND, T.M., JONES, G., RACEY, P.A. & WAYNE, R.K. (1995): Characterization of mitochondrial DNA variability within the microchiropteran genus Pipistrellus: approaches and applications. - Symp. zool. Soc. Lond., 67: 377-386.

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